Vera Gharaibeh
Was Resilienz ist und wie sie gestärkt werden kann
12.09.24 | Vera Gharaibeh ist Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin nach dem Konzept von „Stark auch ohne Muckis“. Sie leitet Kurse in Kitas, Grundschulen und privaten Gruppen mit dem Ziel, Kinder von Grund auf zu stärken. Aktuell macht sie eine Ausbildung zur „Starkmacher-Mentorin“ bei „Stark ins Neue“. Im Interview erklärt sie, was unter dem Begriff Resilienz zu verstehen ist und was es braucht, um diese Widerstandskraft bei Kindern aufzubauen und zu festigen.
Liebe Frau Gharaibeh, Resilienz hilft Kindern, besser durchs Leben zu kommen. Können Sie uns zunächst kurz erläutern, was genau unter dem Begriff zu verstehen ist?
Resilienz bedeutet psychische, beziehungsweise mentale Widerstandskraft. Grundsätzlich kann man sagen, dass sie uns hilft, schwierige Lebensumstände zu überstehen. Bildlich formuliert ist sie zum einen unser innerer Schutzwall, der äußere Verletzungen nicht an uns heranlässt, zum anderen ist sie eine Quelle, die uns Kraft gibt, auch traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.
Als Grundvoraussetzung, um sich selbst behaupten zu können, benötigen Kinder ein gesundes Selbstwertgefühl. Wie erhalten Kinder das?
Die Frage ist gut formuliert: „Wie erhalten Kinder das?“ Kinder sind von Grund auf mit allem ausgestattet, was sie zum Leben benötigen, auch ein gesundes Selbstwertgefühl gehört dazu. Leider schädigen wir Erwachsene den Selbstwert mitunter – meist unbewusst und unbeabsichtigt, da wir es selbst nicht besser wissen – durch Sätze wie: „Du kannst das nicht!“ oder Vergleiche mit Geschwistern.
Auch ständige Belohnung für Leistung führt dazu, dass Kinder das Gefühl bekommen, sie werden nur geschätzt, wenn sie die Ansprüche und Erwartungen der Erwachsenen erfüllen. Ihr Selbstwert wird an Leistung gebunden, sie selbst sind also nicht wertvoll genug. Das Gute ist: Der Selbstwert lässt sich in jedem Alter aufbauen. Durch positive, bestärkende Botschaften ermutigen wir Kinder, sich selbst zu akzeptieren und fördern dadurch deren Selbstwertgefühl. Sie erfahren, dass sie einzigartig sind und genau richtig, so wie sie sind, mit all ihren Stärken und Schwächen.
Damit ein Kind stressige Situationen bewältigen kann, braucht es innere und äußere Schutzfaktoren. Können Sie uns die wichtigsten nennen und Tipps geben, wie Erziehende deren Aufbau fördern können?
Zu den inneren Schutzfaktoren zählt neben dem Selbstwert auch das Selbstbewusstsein. Dazu gehört, mit den eigenen Gefühlen umgehen zu können. Für gute zwischenmenschliche Beziehungen brauchen Kinder zudem Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, Konflikte eigenständig lösen zu können.
Generell dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wir als Erwachsene und Erziehende Vorbild sind für unsere Kinder. Wir sind ihr sicherer Hafen, der ihnen Schutz und Heilung bringt. Und damit wären wir bei den äußeren Schutzfaktoren. Dazu zählen eine sichere Bindung zu mindestens einer Bezugsperson, ein gesundes Umfeld mit Freunden und gemeinsamen Aktivitäten, eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung, wenige bis keine digitalen Medien sowie ausreichend Pausen für Entspannung und Kreativität.
Alle diese Faktoren beeinflussen Körper und Seele und können daher einen sehr positiven Effekt auf die gesunde Entwicklung von Kindern haben.
Warum ist es wichtig, mit Kindern über Gefühle zu sprechen und wie kann eine gute Kommunikation mit Kindern zur Resilienz beitragen?
Es ist wichtig über Gefühle zu sprechen, diese zu benennen, anzuerkennen und den Kindern beizubringen, dass sie auch geliebt werden, selbst wenn sie Wut oder Neid verspüren. Wir können Kindern zeigen, wie sie ihre Gefühle auf konstruktive Weise zum Ausdruck bringen und ihnen helfen, ihre Handlungen, beispielswiese in der Wut zu regulieren. So lernen sie emotionale Kompetenz: Sie verstehen, warum manche Menschen handeln wie sie handeln, nämlich meist aus einem Gefühl beziehungsweise einem Bedürfnis heraus.
Eine wertschätzende Kommunikation ist insofern wichtig, dass Eltern ihre Bedürfnisse und Gefühle klar kommunizieren und das möglichst ohne Bewertung, Interpretation und Forderungen. Der Fokus des Gesprächs sollte darauf liegen, alle mit ihren Bedürfnissen zu sehen und bei Konflikten gemeinsam eine Lösung auszuhandeln.
Wie können wir uns ein Resilienz-Training mit Kindern vorstellen? Welche Übungen machen Sie mit den Kindern in ihren Trainings, um sie von klein auf zu stärken?
Ich mache mit den Kindern einen Mix aus Rollenspielen, die reale Situationen imitieren, kreativer Arbeit in Verbindung mit der eigenen inneren „Entdeckungsreise“, Geschichten und Meditationen, um diese komplexen Themen für die Kleinen verständlich und interessant zu machen.
Wir sprechen über Gefühle und wie unsere Gedanken unser Handeln und letztlich unser Umfeld beeinflussen, über Mobbing und was das mit uns macht, und natürlich unseren eigenen Wert und die Einzigartigkeit jedes einzelnen – alles interaktiv und im ausgeglichenen Wechsel von quirligen und ruhigen Phasen.
Das Ziel ist ein friedvolles Miteinander und dafür arbeiten wir auch mit Eltern und Pädagogen, die die Resilienzfaktoren weiter mit den Kindern festigen.
Vielen Dank für das Gespräch.